Der Infoblog über Gundlitz

Damals: Das Gundlitzer Armenhaus

wird gehor­samst berich­tet, daß sich in der hie­si­gen Gemein­de ein Armen­haus befindet“

Wer in Gund­litz kein Dach mehr über dem Kopf hat­te, konn­te einst in einem Armen­haus Zuflucht fin­den. Das zeigt ein Doku­ment vom 10. März 1874, vom dama­li­gen Bür­ger­meis­ter Kieß­ling unter­schrie­ben. Der Bür­ger­meis­ter mel­det dar­in dem König­li­chen Bezirks­amt Münch­berg, dass sich in Gund­litz ein Armen­haus befin­de, das erst im Jah­re 1872 reno­viert wur­de. In der Stu­be befand sich zu die­ser Zeit aber nur eine Per­son – eine ledi­ge Taglöhnerin.

Quel­le: Archiv Karl Die­tel / Stadt­ar­chiv Münchberg

Die Stel­lung der Armen im Mit­tel­al­ter und in der frü­hen Neuzeit

Armen­häu­ser waren damals wohl kei­ne Sel­ten­heit. Offen­bar ent­stan­den sie, um der gestie­ge­nen Zahl der Bett­ler zu begeg­nen. Das scheint ein Pro­blem der Neu­zeit zu sein. Im Mit­tel­al­ter hat­te es das Pro­blem in der Form nicht gege­ben. Der ober­frän­ki­sche Bezirks­hei­mat­pfle­ger Gün­ter Dip­pold schreibt, dass Bett­ler im Mit­tel­al­ter ein selbst­ver­ständ­li­cher Teil der Gesell­schaft waren. Sie wur­den nicht als Außen­sei­ter betrach­tet. Man ver­stand es als Teil der gött­li­chen Ord­nung, dass es Arme wie Rei­che gab. Es herrsch­te fol­gen­des Ver­ständ­nis: Bett­ler sind dem Rei­chen nütz­lich: Wenn er ihnen Almo­sen gibt, kann er sich durch die­se gute Tat eine Ver­ge­bung der eige­nen Sün­den erhoffen. 

Wie Dip­pold aus­führt, fin­den sich in der Lite­ra­tur bis ins 12. Jahr­hun­dert kei­ne kri­ti­schen Äuße­run­gen gegen­über Bett­lern – abge­se­hen von der Kri­tik an hof­fär­ti­gen Armen, die sich mit ihrer eige­nen Lage nicht abfin­den wollten.

Mit dem Über­gang des Mit­tel­al­ters zur Neu­zeit scheint hier ein grund­le­gen­der Wan­del statt­ge­fun­den zu haben. Dip­pold zufol­ge nahm die Zahl der Bett­ler seit dem 14. Jahr­hun­dert erheb­lich zu. Die Bett­ler wur­den zuneh­mend als „Last und Pla­ge“ ange­se­hen. Die Nürn­ber­ger Bet­tel­ord­nung von 1370 besag­te: Bet­teln durf­ten nur Ein­hei­mi­sche, die durch meh­re­re Zeu­gen dar­le­gen konn­ten, dass sie auf Almo­sen ange­wie­sen sind. „Arbeits­fä­hi­ge durf­ten also nicht bet­teln“, schreibt Dip­pold. „Der Auf­ent­halt aus­wär­ti­ger Bett­ler wur­de auf drei Tage beschränkt, dann muß­ten sie die Stadt für ein Jahr mei­den.“ Erst in die­ser Zeit wur­de das Bet­teln etwas Schänd­li­ches, so Dippold.

Über die Armen-Anstal­ten in Franken“

Die Armen­häu­ser waren offen­bar ein Ver­such, zumin­dest ein­hei­mi­sche Arme von der Not­wen­dig­keit des Bet­telns zu ent­bin­den. Im „Jour­nal von und für Fran­ken“ fin­det sich im Jah­re 1792 ein Bei­trag mit dem Titel: „Über die Armen-Anstal­ten in Fran­ken“. Dar­in heißt es: „All­mäh­lig fan­gen in unserm Fran­ken wohlt­hä­ti­ge Armen-Anstal­ten an, immer mehr Land zu gewin­nen.“ Dem Ver­fas­ser zufol­ge gab es damals zwei Zie­le: Die ein­hei­mi­schen Armen ver­pfle­gen – und die frem­den Bett­ler mög­lichst fernhalten.

Dem Ver­fas­ser des Arti­kels zufol­ge gab es damals „eine wirk­li­che Land­pla­ge“. Das waren ihm zufol­ge „Ban­den von soge­nann­ten Frey­leu­ten oder Hundschla­gern: Men­schen, gesund und stark, an kei­ne Arbeit gewöhnt, flei­ßig auf die Fort­pflan­zung ihres Geschlechts und Stan­des bedacht; auf des­sen Abster­ben man folg­lich sobald nicht rech­nen darf.“ Die­se Ban­den hät­ten regel­mä­ßig Ort­schaf­ten heim­ge­sucht, um Almo­sen zu for­dern; die Bewoh­ner hät­ten ihnen allei­ne des­we­gen immer wie­der etwas gege­ben, um die fins­te­ren Gestal­ten zum Fort­zie­hen zu bewegen.

Tole­ranz gegen­über „Staats­bett­lern“

Auch im Jahr 1792 scheint man aber den frem­den Außen­sei­tern nicht durch­ge­hend feind­se­lig gestimmt zu sein: Der Ver­fas­ser des Auf­sat­zes schreibt, dass es drei Arten von „Gas­sen­bett­lern“ gebe, die man tole­rie­ren müs­se: Ers­tens die „Staats­bett­ler“. Dar­un­ter ver­steht der Ver­fas­ser Aus­län­der, die in ihrem Hei­mat­land kei­ne Mög­lich­keit zum Geld­ver­die­nen mehr hät­ten – heut­zu­ta­ge wür­de man sie viel­leicht Wirt­schafts­flücht­lin­ge nen­nen. In dem Auf­satz aus dem Jahr 1792 heißt es dazu: „Frey­lich sind ande­re Län­der nicht schul­dig, in die Stel­le ihres Vater­lands ein­zu­tre­ten, und die Pflich­ten zu erfül­len, wel­che die­ses von sich ablehnt. Frey­lich möch­te es auch unter ihnen meh­re­re geben, die aus Faul­heit und Gemäch­lich­keit die­se Art sich fort­zu­brin­gen jeder andern vor­zie­hen. Aber ein­mahl sind sie doch nun da: wer hat so ein scharf­se­hen­des kri­ti­sches Auge, daß er den Wür­di­gen vom Unwür­di­gen unter­schei­den könnte?“

Zwei­tens will der Ver­fas­ser bei den „Vaci­ren­den“ eine Aus­nah­me machen – damit meint er Arbeits­lo­se, die bestimm­ten Beru­fen ange­hö­ren: etwa Scri­ben­ten, Köche, Gärt­ner und Jäger. Die Argu­men­ta­ti­on ist: Wenn sol­che Men­schen arbeits­los wer­den, kön­nen sie oft kei­ne neue Arbeit fin­den, da sie eben nur auf einem sehr spe­zi­el­len Gebiet aus­ge­bil­det sind und daher zu nor­ma­ler Hand­ar­beit nicht fähig.

Drit­tens gesteht der Ver­fas­ser auch den „rei­sen­den Hand­werks­bur­schen“ das Recht zu, um Almo­sen zu bitten.

Armen­häu­ser auch in Stammbach

Dar­aus ergibt sich also, dass man in der dama­li­gen Zeit ver­such­te, die ein­hei­mi­schen Armen zu ver­sor­gen und die frem­den Armen fern­zu­hal­ten. Hel­mut Hen­nig schreibt in sei­ner Geschich­te Stamm­bachs, dass es auch dort Armen­häu­ser gab: „Die Gemein­de beschaff­te Armen­häu­ser, rich­te­te sie ein und hielt sie instand, sie ließ Saat­kar­tof­feln an die Min­der­be­mit­tel­ten aus­ge­ben und ver­such­te, ihnen Arbeit zu besorgen.“

Hen­nig zufol­ge gab es in der Stamm­ba­cher Gemein­de meh­re­re Armen­häu­ser, in denen die Bedürf­ti­gen nach Geschlech­tern getrennt unter­ge­bracht wur­den. Dort kamen auch Sträf­lin­ge unter, die aus der Plas­sen­burg ent­las­sen wur­den und die aus Stamm­bach stamm­ten. Sowohl Kir­che als auch Gemein­de waren laut Hen­nig für die Armen­häu­ser zuständig.

Hei­mat als Notwendigkeit

Die Hei­mat­ge­mein­de war ver­pflich­tet, jedem Bedürf­ti­gen zu hel­fen. Dem­entspre­chend war Hei­mat damals nichts Roman­ti­sches, son­dern etwas Lebens­wich­ti­ges, wie Hen­nig schreibt. Ent­spre­chend war sie auch nicht für umsonst zu bekommen.

Wenn ein Frem­der etwa in Stamm­bach hei­misch wer­den woll­te, muss­te er laut Hen­nig eini­ge Hür­den bewäl­ti­gen. Der Armen­pfleg­schafts­rat hol­te sich zuerst Erkun­di­gun­gen über den Antrag­stel­ler ein. Die Bür­ger der Gemein­de selbst stimm­ten schließ­lich dar­über ab, ob der Frem­de auf­ge­nom­men wer­den soll­te oder nicht. Der Frem­de muss­te außer­dem Auf­nah­me­ge­büh­ren zah­len. Erst dann war er ein Gemein­de­mit­glied. Aber hat­te er das geschafft, konn­te er im Not­fall auf die Hil­fe der Gemein­de zählen.

Quel­len:

Gün­ter Dip­pold, „Außen­sei­ter im Mit­tel­al­ter“. Erschie­nen in: Mit­tel­al­ter­li­ches Leben in Fran­ken. Her­aus­ge­ge­ben von Tho­mas Platz und Toni Eckert. 1998.

Hel­mut Hen­nig, Geschich­te Stamm­bachs von den Anfän­gen bis zur Reichs­grün­dung. 1989.

Über die Armen-Anstal­ten in Fran­ken“, erschie­nen in: Jour­nal von und für Fran­ken, Band 4, S. 184–196. 1792. Online: https://de.wikisource.org/wiki/%C3%9Cber_die_Armen-Anstalten_in_Franken